Aufruf der Free Class FaM[1] zur Demonstration für die Abschaffung der Lohnarbeit am 30.04.2010 in Frankfurt/M.
Kunst ist keine Lohnarbeit[2]. Künstlerische Freiheit verspricht ihren Produzent_innen selbst über Produktionsmittel, Produktionsweisen und –inhalte entscheiden zu dürfen. Diese formale Unabhängigkeit von den Standards der Mehrwertproduktion nährt nach wie vor das widersprüchliche Glücksversprechen der Kunst selbstbestimmte Produktion trotz Kapitalismus zu ermöglichen. Das vermeintliche Glück dieser künstlerischen Lohnarbeitsverweigerung ist der demütigende Kampf um einen Platz unter jenen 5%, die zumindest Zeitweise von ihrer Kunstproduktion leben können. Wer noch nicht dazu gehört darf auf die nicht viel höhere Chance hoffen, sich im staatlich subventionierten Residency-Karussell alle paar Monate in ein neues Gentrifizierungsprojekt einzuquartieren. Dabei sind kostenlose Ateliernutzung und Taschengeld zwar inklusive, doch Kontinuitäten politischer Verbindlichkeit und solidarischer Organisierung finden hier kaum Platz.
Die bürgerliche Hoffnung künstlerische Autonomie könne Kapitalismus freier und humaner gestalten, oder zumindest vor der Barbarei bewahren, ist historisch widerlegt. Die ästhetische Unabhängigkeit der Kunst kann durchaus realistische Intervention in normalisierte Wahrnehmungsordnungen oder einfach kulinarischer Genuss sein, jedoch kaum Selbstzweck sozialer Emanzipation. Wer sich mittels Kunst ein freieres Leben jenseits der lohnarbeitszentrierten Wirklichkeit organisieren will, wird auch in Zukunft noch herber enttäuscht werden. Die aktuell verstärkt spürbare Krisenhaftigkeit kapitalistischer Ökonomie wird ihren Teil dazu beitragen. Denn künstlerische Flucht vor der Lohnarbeit ist keine kommunistische. Fischer_innen am Morgen, Webdesigner_innen am Mittag und Konzeptkünstler_innen am Abend zu sein bewahrt künstlerische Lohnarbeitsverweiger_innen nicht davor, als Pseudo-Kommunist_innen des Kapitals ein glamouröses Stereotyp flexibilisierter und endsoldarisierter Arbeitsverhältnisse zu idealisieren. Profitiert haben von diesem Trauerspiel nicht zuletzt so unsympathische Veranstaltungen wie die der "Kulturnation" Deutschland. Das Land der Dichter und Denker erklärte Kunst in den letzten Jahren zur ganz besonderen Standortinvestition. Im Bereich der Bildenden Kunst demonstrierte eine Flut von Deutschland-Ausstellungen [wie z.B. „Vertrautes Terrain“ (ZKM, 2008) oder „Deutsche Positionen - Kunst und Kalter Krieg“ (DHM, 2009)] dabei eindrücklich wie auch kritische oder gar antinationale Positionen, kuratorisch gewendet, in ganz persönliche, subjektive Bekenntnisse zum Standort Deutschland umgedeutet werden. Standort-Kunst erklärt so die schillernden Leidens- und Leistungsimperative der Kulturindustrie zur Ressource eines subjektivistischen Nationalismus, der vorgibt potentiell jede Differenz am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben zu lassen. Mit diesem Bild überdeckt wird das unsichtbare Gegenteil: die existenzielle Ausgrenzung jener Unbrauchbaren, Überflüssigen und Unqualifizierten, die, anders als die meisten Künstler_innen, auf weniger glamourösem Niveau mit den Widersprüchen bürgerlicher Freiheit konfrontiert sind.
Gegen die Instrumentalisierung als Kunst-Helden, -Diven und -Dandys der Kulturnation ließen sich diese alles andere als selbstbestimmten Produktionsbedingungen zum Anlass der eigenen Politisierung nehmen. Denn sich gegen die Zumutungen der Normalität solidarisch zu organisieren ist die realistischste aller Möglichkeiten dem Elend der Lohnarbeit endlich zu entkommen. Die Freiheit der Kunst, wie wir sie heute kennen, entstand aus einem auf halbem Weg gescheiterten Revolutionsversuch vor über 200 Jahren. Dabei wurde feudale Herrschaft durch bürgerliche ersetzt. Dessen Abschaffung bleibt Aufgabe einer sozialen Revolution, die sich nicht mit formalen Freiheitsversprechen begnügt, sondern im Kommunismus des 21. Jahrhunderts die solidarische Selbstbestimmung Aller sieht.
Endlich wird die Arbeit knapp! Kapitalismus abwracken! Gegen Lohnarbeit, Leistungsterror und Konkurrenz!
Sozialrevolutionäre Demo und Party
Fr. 30.04.2010 - 19.00 Uhr - Galluswarte - Frankfurt/M
Weitere Informationen unter http://krise.blogsport.de/
Es rufen auf: autonome antifa [f], antifa [ko], campusantifa, FAU-Gewerkschaft für alle Berufe Frankfurt/M, Jugendantifa, Krisengruppe Frankfurt/M, ÖkoLinX – Antirassistische Liste, Ökologische Linke Frankfurt/M
Supporters: Revolutionaeres Bündnis Autonomer AntifaschistInnen, Anarchistische Gruppe [:ag] Freiburg, Libertaeres Bündnis der Wetterau, antifa düren, Free Class FaM, Autonome Jugend Antifa Hagen, Antifa Bad Bergzabern, Anti Hartz Plattform Saar, Zwantifa (Zweibrücken), Antifaschistische Linke Darmstadt (ALDA), Antifa R4 Gießen, ASJ Bonn, FAU Darmstadt, Libertäre Sozialistische Gruppe Bergstraße (LSG), Libertäre Sozialist_Innen Darmstadt (LSD), Antifa Bensheim, RAW Windeck
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[1] Die Free Class FaM ist Legastheniker-Club ohne Muttersprache, Kunstbetriebsrat, Gegen-Akademie und Kulturproduzent_innen-Organisierung. Sie wurde 2007 gegründet und beschäftigt sich seit dem mit der Kritik der Kunst, ähnlich wie die Freien Klassen in Berlin, Braunschweig, Wien und München.
[2] Lohnarbeit bezeichnet den Tausch der eigenen Arbeitskraft gegen ein Arbeitsentgelt (Lohn). Gefasst wird mit diesem Begriff somit auch das politisch-ökonomische Verhältnis zwischen Lohnarbeiter_innen und Unternehmer_innen, die im Besitz der Produktionsmittel sind und Arbeitskraft einkaufen müssen um Produkte herstellen zu können und sich auf dem Markt zu behaupten. Unternehmer_innen erwirtschaften dabei einen Mehrwert dessen Maximierung Selbstzweck kapitalistischer Ökonomie ist. Kunstproduzent_innen sind Unternehmer_innen ihrer Selbst. Künstlerische Produktion unterliegt den Imperativen des Marktes somit ohne direkte Abhängigkeit vom Lohnarbeitsverhältnis.